Sie haben Moral gezeigt, haben gekämpft, sich auch in Unterzahl bis zum Schluss gewehrt, doch am Ende siegte der Titelkandidat Viktoria Köln verdient mit 2:0 (1:0). Der Tabellendritte glänzte zwar nicht, aber er war spielerisch besser und vor allem ballsicherer. Und greift nach dem dritten Sieg in Serie wieder ganz oben an.
Die Zeiten an der Hafenstraße sind stürmisch. Man spürt die Unzufriedenheit, den Zorn der vielen enttäuschten Fans aber oft nur unterschwellig oder in den sozialen Netzwerken. Vor dem Anpfiff war die Kritik allerdings offensichtlich. Die Jungs auf der West hatten sich richtig Mühe gemacht für einen massiven Protest. Spruchband an Spruchband reihte sich dort. Und die Giftpfeile richteten sich gegen den RWE-Chef Michael Welling. Wie so oft bei Misserfolg: Es ist auch die Zeit der Rundumschläge.
Die Rot-Weissen wollten auf die Pleite in Rödinghausen reagieren. Das Trainerteam um Sportdirektor Jürgen Lucas mussten notgedrungen das Team umstellen. Für den gelbgesperrten Benjamin Baier rutschte Nico Lucas in die Startelf, für den angeschlagenen Robin Urban verteidigte Timo Becker.
Es wurde schnell deutlich, welche Mannschaft dort auf dem Rasen gerade im Aufwind ist. Die Viktoria, der amtierende Meister, hatte zuletzt zweimal gewonnen und übernahm auch jetzt sofort die Regie. Rot-Weiss reagierte hauptsächlich und riegelte die eigene Hälfte ab. Erst einmal absichern, ist ja nicht verkehrt nach den jüngsten Erfahrungen. Nach vorn lief allerdings kaum etwas, die langen Bälle gerieten zu ungenau, im Zweikampf behaupteten sich zumeist die Kölner. Flüssige, flotte Kombinationen? Fehlanzeige. Eine wirklich Chance hatten die Essener in Hälfte eins nicht.
Auch der Tabellendritte vom Rhein sorgte nicht gerade für großes Kino. Die Gäste liefen sich fest oder tapsten in die Abseitsfalle. Chancen hatten auch sie nicht, aber sie kombinierten flüssiger und probierten es unter der Leitung von Ausnahmespieler Mike Wunderlich immer wieder. Und dann war RWE doch einmal unaufmerksam. Nach einem langen Pass tauchte plötzlich Timm Golley allein vor Robin Heller auf und schob dem Keeper den Ball frech durch die Beine zum 1:0 (26.).
Was nun, RWE? Die Roten mussten auf jeden Fall aktiver werden. Schwer, wenn es nicht laufen will.
Die Viktoria hatte die Chance zu erhöhen. Wunderlich scheiterte nach einem artistischen Hackenpass von Golley an Heller (54.), nach der folgenden Ecke vergab Lanius. Aber noch waren die Gastgeber nicht besiegt. Malura nahm Maß aus 18 Metern, knapp drüber (57.). Zwei Minuten später zwang Marcel Platzek Torwart Patzler zu einer spektakulären Flugeinlage. Dann wurde die Hoffnung jäh gedämpft. Beim Sprintduell mit Handle foulte Malura seinen Gegenspieler, und die Notbremse wurde mit Rot geahndet (62.).
RWE in Unterzahl gegen diese abgezockte Truppe? Das konnte normalerweise nicht gutgehen. Aber die Essener bewiesen wie schon in Rödinghausen Moral und gaben sich nicht auf. Kurios, nun suchten sie die Offensive und setzten den Gegner sogar unter Druck. Und dann hatte Kai Pröger noch einmal Platz und die Chance. Energisch setzte er nach, Torhüter Patzler machte seinem Namen alle Ehre, den Nachschuss parierte er dann doch (89.). Dann in der Nachspielzeit das Aus, als Handle frei zum 2:0 vollendet. Aber da war es für RWE ohnehin schon zu spät.